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Filmtipp: SAMADHI von Daniel J. Schmidt

Benedikt Maria Trappen

Der kanadische Meditationslehrer und Filmemacher Daniel J. Schmidt hat 2017 und 2018 gemeinsam mit der Yoga-Lehrerin Tanya Mahar zwei einstündige, visuell und akustisch außerordentlich beeindruckende Filme über die höchste unsagbare Erfahrung gedreht, um die es letztlich in allen Religionen und Philosophien gehe. Samādhi sei eine der Bezeichnungen für das Unsagbare, ein Wort, das, aus der indischen Sāṃkhya-Philosophie stammend, viele spirituelle Traditionen durchdrungen hat. Andere Worte, die dieselbe unsagbare Erfahrung bezeichnen, sind u. a. Tao, Satori und Kenshō.

Die Filme, heißt es, wollen nichts lehren. Sie zeigen lediglich auf etwas, das der Verstand nicht fassen kann, weisen die Richtung für eine Reise, die jeder selbst unternehmen muss. Die alles Weltliche überschreitende Erfahrung, um die es dabei gehe, sei heute allerdings nötiger und dringender denn je: Das allem zugrundeliegende, jeder Schöpfung vorausgehende undifferenzierte, nicht-duale Sein.

Ähnlich wie Heidegger diagnostizieren die beiden allerdings, dass nicht nur diese Erfahrung in Vergessenheit geraten sei, sondern die meisten Menschen auch vergessen haben, was sie vergessen haben. Mit faszinierenden Bildern, Montagen, Animationen, Klängen und achtsam gewählten Worten führen die beiden Filme durch ausgewählte Momente der Geschichte der Philosophien und Religionen und sensibilisieren den Zuschauer für die inneren Erfahrungen, denen er auf seiner Reise begegnen wird.

Das ICH mit seinem Verstand und Wollen, das die Reise antritt, kann das torlose Tor allerdings nicht durchschreiten. Alles wissen wollen, alles wollen überhaupt muss letztlich aufgegeben werden. Die Selbsterlösung – besser: die Er-Lösung vom ICH – sei nur möglich in einem Akt des vollständigen Scheiterns, der Aufgabe und Überantwortung an das, was mehr und anderes ist als ICH.

NIEMAND kennt das Geheimnis. NIEMAND durchschreitet das Tor. Niemand zu werden sei daher die Lösung. Anstelle der konventionellen Namen der Dingwelt tritt schöpferische Leere und Stille, tiefe Ruhe und Sinn für Unendlichkeit. Wer Samādhi einmal erfahren hat, weiß, dass es nichts zu erreichen gibt. Von aller Konditionierung befreit, lebt er in der Einheit von Ruhe und Bewegung, Wissen und Nicht-Wissen. Er gleicht dem Zuschauer, der seinen Blick aus den emotional verstrickenden Bildern des Lebensfilms gelöst und zur Quelle des Lichts zurückgewendet hat. Die Begegnung mit dem Licht löscht die lebenslange Konditionierung, bedeutet sterben und „sterben“ erwachen zum Bewusstsein des Lebens-Traums.

Platons Höhlenbewohner werden ebenso zitiert wie Descartes, Lao Tse, Tschuang Tse, Camus, Ramana Maharshi, die „Matrix“ des gleichnamigen Films der Wachowski-Brothers aus dem Jahr 1999 und die Begriffe Singularität und Ereignishorizont der zeitgenössischen kosmologischen Theorie der Schwarzen Löcher. Wer Zweifel hat an der Wirklichkeit und Vernünftigkeit unserer Welterfahrung, wird durch die Filme darin bestärkt, dem Zweifel nachzugehen.  Wer von der Wirklichkeit und Vernünftigkeit seines Weltbildes und seiner dramatischen Welterfahrung überzeugt ist, wird auf die Möglichkeit einer anderen Welterfahrung aufmerksam gemacht.

„Das Gefängnis ist eine Illusion. Wenn du dich mit deinem Scheinselbst identifizierst, dann schläfst du. (…) Samādhi ist das Erwachen vom Traum des getrennten Selbst oder dem Ego-Konstrukt. Samādhi ist das Erwachen von der Identifikation mit dem Gefängnis, das ich ‚mich‘ nenne. (…) Beim Erwachen geht es nicht darum, den Mind oder die Matrix loszuwerden, im Gegenteil. Wenn du dich nicht damit identifizierst, kannst du das Spiel des Lebens in seiner Fülle erfahren und die Show genießen, wie sie ist, ohne Verlangen oder Angst. In alten Lehren wurde dies das göttliche Spiel von ‚Lila‘ genannt.“

Die Filme kann man im amerikanischen Original und in deutscher Übersetzung auf YouTube sehen und hören.