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Nachgefragt bei Jochen Kirchhoff

Der 1944 geborene Philosoph Jochen Kirchhoff lehrte von 1992 bis 2005 an der Lessing Hochschule zu Berlin und von 1991 bis 2002 auf Anregung von Rudolf Bahro, der dort ein „Institut für Sozialökologie“ aufbaute, an der Humboldt Universität. Die von Kirchhoff begründete integrale Tiefenökologie, die über ein rein materielles Bild von Kosmos, Natur und Mensch hinausgeht, beschäftigt sich entsprechend mit den Innenräumen der Wesen und Dinge. Das Vorgehen des Philosophen lässt sich als spirituell bezeichnen. „Spiritualität im eigentlichen Sinn, denke ich, meint eine Haltung zur Wirklichkeit, die davon ausgeht, daß die intellektuellen oder rationalen Schichten nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit erfassen und daß die wesentlichen Schichten jenseits dieser mentalen Ebene angesiedelt sind. Spiritualität bemüht sich um einen Zugang zu diesen anderen Ebenen,“ sagte Kirchhoff 1993 in einem Interview mit der taz. Als relevante Aufgabe der Spiritualität sieht er, „sich um die geistige und spirituelle Grundlage der vielfältig zersplitterten Welt unserer Zeit zu bemühen.“

Unter Kirchhoffs Schriften, die mit tiefenökologischer Perspektive ein ganzheitliches Weltbild entfalten, finden sich Bücher wie Was die Erde will (1998/2009), Die Anderswelt. Eine Annäherung an die Wirklichkeit (2002), Die Erlösung der Natur (2004) und Das kosmische Band. Natur, Erde, Kosmos und die Anderswelt (2010). Weite Verbreitung fanden darüber hinaus seine in mehreren Auflagen im Rowohlt Verlag erschienenen Biografien Giordano Bruno (1980), Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling (1982) und Nikolaus Kopernikus (1985).

Der vielseitige Denker wendet sich in einem eigenen Video-Kanal Jochen Kirchhoff  an philosophisch Interessierte. 2021 erregten seine Analysen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen vielfältige Aufmerksamkeit, darunter die Gespräche mit dem Philosophen und Schriftsteller Gunnar Kaiser Die Fremdbestimmung ist extrem geworden, Wahrheit oder Wahn? und Dem modernen Menschen fehlt der Sinn.

Mit Lama Anagarika Govinda, der Kirchhoffs Biografien Giordano Brunos und Schellings schätzte, stand der Philosoph in den 1980er Jahren im Briefwechsel. Zur Festschrift für Volker Zotz Freiheit – Bewusstheit – Verantwortlichkeit trug Kirchhoff 2016 den Artikel „Der ‚Fall Govinda‘. Philosophische und sehr persönliche Betrachtungen zu einem deutschen Phänomen“ bei. Darin heißt es am Ende: „Den eigenen und nur den eigenen Weg gehen: Das hat Govinda beispielhaft und menschlich anrührend vorgelebt. Und in diesem Sinn folge ich seinem schöpferischen Grund- und Lebensprinzip.“

Ḍamaru fragte bei Jochen Kirchhoff nach:

Was beschäftigt Sie gerade?

Die Mensch-Kosmos-Frage in ihrer Beziehung zur sog. Corona-Krise. Parallel dazu ein Essayband, der im Januar oder Februar 2022 erscheinen soll.

An welchem Ort wären Sie jetzt am liebsten?

Im Wesentlichen dort, wo ich mich jetzt aufhalte. D.h. in meiner Berliner Wohnung als zentraler Ort meiner Arbeit.

Sehen Sie eine vordringliche Aufgabe in Ihrem Leben?

Meine „vordringliche Aufgabe“ mündet in die stets erneut im metaphysischen Kontext von mir gestellten Fragen: „Woher komme ich? Wo befinde ich mich jetzt? Wohin gehe ich?“

Hat ein Buch Sie geprägt, erschüttert oder Ihr Denken und Tun beeinflusst?

Ich bin stark von den Büchern des großen Renaissancephilosophen Giordano Bruno (1548 bis 1600) beeinflusst und auch von dem Buch „Vom Regenbogen und vom Gesetz der Schöpfung“ des Kosmologen und Naturphilosophen Helmut Friedrich Krause (1904 bis 1973).

Welche Musik spielt in Ihrem Leben eine Rolle?
Vorrangig die Musik der sog. Klassik.

Gibt es Menschen, die Sie als Vorbilder sehen?

Giordano Bruno, Helmut Krause, Gandhi…

Was bedeutet Ihnen die Bildende Kunst?

Viele Werke der Bildenden Kunst schätze ich sehr, obwohl sie kaum Einfluss haben auf meine philosophische Arbeit.

Welches historische Ereignis ragt aus Ihrer Sicht besonders heraus?

Der Ausbruch der Corona-Krise im Frühjahr 2020.

Gibt es Werte, die wir bewahren sollten?

Einer der höchsten Werte für mich ist die Würde der kosmisch-geistigen Existenz des Menschen.

Was wollen Sie abschaffen oder verändern?

Die globale Ordnung, wenn sie je existiert hat, ist an einem bedrohlichen Kipppunkt angelangt. Hier ist Veränderung auf ganzer Front geboten. Dieser Veränderung fühle ich mich philosophisch verpflichtet.

Hat das Leben einen Sinn?

Der Sinn des Lebens (über viele Inkarnationen hinweg) ist für mich die Erfüllung des kosmischen Gesetzes (= Dharma).

Was löst bei Ihnen der Gedanke an den Tod aus?

Die jeweiligen Tode gehören unlösbar zu den Inkarnationen, die wir durchlaufen. Die Eingliederung in diesen großen und sinnvollen Prozess bejahe ich.