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Nachgefragt bei Karl-Heinz Brodbeck

Karl-Heinz Brodbeck, Jahrgang 1948, ist in emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre, Statistik und Kreativitätstechniken der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt. Er lehrte ebenfalls an der Hochschule für Politik in München.

Bekannt wurde er unter anderem für seine Philosophie des Geldes, die er in Werken wie Die Herrschaft des Geldes (2. Aufl. 2012) und Faust und die Sprache des Geldes (2014) reflektierte. Buddhistisch Interessierte schätzen ihn für Bücher wie Der Spielraum der Leerheit (1995) und Buddhismus interkulturell gelesen (2005). Brodbeck verfolgt einen grundsätzlich interkulturellen Ansatz, der sich in vielen Bereichen als fruchtbar erwies.

In der Kreativitätsforschung, der er sich zum Beispiel im Buch Entscheidung zur Kreativität (4. Aufl. 2010) widmet, berücksichtigt er die buddhistische Übung der Achtsamkeit zum Aufbrechen von Gewohnheiten.

Die von ihm entwickelte Buddhistische Wirtschaftsethik, die er im gleichnamigen Werk (2. Aufl. 2011) darstellt und die eine Kritik am Neoliberalismus impliziert, basiert auf den Lehren der indischen Philosophen Nāgārjuna und Dharmakīrti.

Brodbecks Buch Ethik und Moral. Eine kritische Einführung (2002) endet mit der Konklusion: „Was spricht eigentlich gegen ein Nebeneinander moralischer Systeme, gegen eine Vielfalt in gegenseitiger Toleranz, in der so viele Austauschbeziehungen gepflegt werden, wie das jeweils von lokalen Kulturen gewünscht wird? Das Problem einer ‚Universalisierbarkeit‘ moralischer Regeln und ihrer Begründung ist in der Gegenwart vor allem ein Folgeproblem, sofern man den Wert der Globalisierung nach neoliberalem Vorbild stillschweigend akzeptiert hat. Wird dieser Wert als heimliche Quelle und implizite Ethik durchschaut, dann kann in einer vielfältigen Welt Toleranz und gegenseitiges Mitgefühl an die Stelle der destruktiven Tendenz treten, die den Globus über einen Kamm scheren will und dabei genau jenes Unheil anrichtet, gegen das sich weltweit eine wachsende Empörung richtet.“

amaru fragte bei Karl-Heinz Brodbeck nach:

Was beschäftigt Sie gerade?

Ich überarbeite für eine dritte Auflage gerade mein ökonomisches Hauptwerk (Die Herrschaft des Geldes); bei 1200 Seiten eine hübsche Aufgabe.

An welchem Ort wären Sie jetzt am liebsten?

Dort, wo ich gerade bin: auf meinem Bürostuhl vor dem PC, lesend, denkend, schreibend.

Sehen Sie eine vordringliche Aufgabe in Ihrem Leben?

Nur dies, meine Erkenntnis wach zu halten und mein Mitgefühl zu entfalten, auch wenn in der Welt allerlei Wahnsinn geschieht.

Hat ein Buch Sie geprägt, erschüttert oder Ihr Denken und Tun beeinflusst?

Ein Buch? Das wäre ein wenig „untertrieben“. Wenn ich meine eigenen Texte nüchtern betrachte, dann erscheint darin vor allem Nāgārjuna’s Mulamadhyamaka-Karika ziemlich oft zitiert.

Welche Musik spielt in Ihrem Leben eine Rolle?

Die, die ich selber gemacht habe. Ich mag die Renaissance-Musik ebenso wie Jazz und Blues. Ab und zu betrete ich auch den für mich höchsten Tempel: Bruckners Sinfonien.

Gibt es Menschen, die Sie als Vorbilder sehen?

Allen voran meine wunderbaren Eltern und meine Großmutter. Meine Frau hat inzwischen, da sie alle gestorben sind, ein wenig ihre Rolle übernommen (auf meinem Smartphone würde ich jetzt ein Smilie einfügen). Sonst haben mich vor allem Musiker beeindruckt.

Was bedeutet Ihnen die Bildende Kunst?

Unbegabt bei Pinsel und Bleistift, beschränkt sich meine Bewunderung vor allem auf Architektur und Architekten. Über die Bilder von Paul Cézanne habe ich oft meditiert.

Welches historische Ereignis ragt aus Ihrer Sicht besonders heraus?

Geschichte ist ein Kontinuum. Einem Ereignis einen besonderen Rang zuzusprechen, heißt, ihm ein historisches „Ego“ anzudichten. Das ist eine Täuschung. Erstaunlich ist eher die Vergänglichkeit aller Ereignisse.

Gibt es Werte, die wir bewahren sollten?

„Werte“ sind eine aus der Ökonomik importierte Erfindung: Man schreibt irgendetwas einen Wert zu, wie man im Kaufhaus Güter mit Preisen auszeichnet. Wenn schon der Begriff sein muss – als höchsten „Wert“ betrachte ich die Vernunft als Offenheit gegenüber allem.

Was wollen Sie abschaffen oder verändern?

Diese Vorstellung, die einem Menschen die vermeintliche Macht zutraut, als Quasi-Mittelpunkt der Welt etwas „abschaffen“ zu können, scheint mir anmaßend. Ich halte mich an den Rat des Buddha, der eigenen Vernunft zu folgen und Leiden verursachendes Denken und Handeln zu unterlassen.

Hat das Leben einen Sinn?

Wir leben in einer offenen Weite. Darin findet sich kein vorgegebener Sinn. Erkennend und mitfühlend zu leben, genügt.

Was löst bei Ihnen der Gedanke an den Tod aus?

Er rückt dem 73jährigen immer näher. Sterben ist eher unangenehm. Der Tod als absolutes Loslassen dessen, was sich in diesem Leben angehäuft hat, macht mich eher glücklich.