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Das Samenkorn muss sterben…

Lama Anagarika Govinda

Wahre Verehrung (pūjā) ist ein Akt innerer Hingabe, Einswerdung, innerer Identifikation. Nicht immer gelingt es uns, dies zu erreichen. Goethe sagte: „Ungern entschließt sich der Mensch zur Ehrfurcht, oder vielmehr entschließt sich nie dazu; es ist ein höherer Sinn, der seiner Natur gegeben werden muß.“

Aber schon der Wille dazu, die innere Bereitschaft und Geöffnetheit, trägt dazu bei, uns dem Gegenstand unserer Verehrung anzunähern und eine Welle unseres Wesens ausströmen zu lassen in der Richtung des Ideals. Jedes solches Ausströmen befreit uns vom „Ich“ und lässt unsere Kräfte in die Hohlform des Ideals ergießen.

„Nur Göttliches kann Gott verehren,“ sagt ein altindischer Spruch. Und wir mögen hinzufügen, nur Verehrung kann Göttliches hervorbringen. Die „Ehrfurcht,“ von der Goethe so eindrucksvoll sprach, ist die Wurzel aller Verwirklichung des Göttlichen in uns. Im zweiten Buch von Wilhelm Meisters Wanderjahre lesen wir:

„Ich erstrebe eine dreifache Ehrfurcht, die, wenn sie zusammenfließt und ein Ganzes bildet, erst ihre höchste Kraft und Wirkung erreicht. Das erste ist Ehrfurcht vor dem, was über uns ist, das zweite Ehrfurcht vor dem, was uns gleich ist, das dritte vor dem, was unter uns ist.“

Ohne Hingabe keine schöpferische Tat, keine Vollendung. Der Akt der Hingabe ist ein Akt der Verwandlung. Das Samenkorn muss sterben, um zu neuem Leben zu erwachen. Nur die Werke, in denen wir uns selbst geben, haben Bestand, und in ihnen leben wir weiter.