Lama Anagarika Govinda
Der Buddhismus lehrt uns, dass wir mit allem, was ist, in Wechselbeziehung stehen. Die ganze Welt ist einem gewaltigen Netz von Beziehungen vergleichbar. Es gibt nichts, das nicht mit allem anderen in diesem Weltall verwandt wäre und mit allem in Beziehung stünde. Deshalb kann man sagen, dass jedes Individuum ein Kristallisationspunkt all dessen ist, was dieses Universum beinhaltet.
Alle Kräfte des Universums müssen aufgeboten werden, um auch nur ein menschliches Wesen, nur einen Baum oder ein einziges Insekt zu erschaffen – ohne die Basis aller Kräfte des Kosmos kann kein Wesen in Erscheinung treten. Von diesem Standpunkt aus müssen wir uns fragen, ob nicht das Werden der zahllosen individuellen Lebensformen die gewaltigste Leistung des Weltalls ist.
Und wenn wir das Universum als Ganzes betrachten, die unendlich weite Leerheit im Makro- wie im Mikrokosmos erkennen, sehen, wie extrem selten jene Kristallisation von Formen in Erscheinung tritt in dem, was wir Materie nennen, und wenn wir darüber hinaus begreifen, wie viel rarer jene Bedingungen sind, unter denen sich lebende, bewusste Wesen entwickeln können, dann verstehen wir vielleicht, dass Individualität ebenso wesentlich ist wie Universalität. Ja, Universalität kann nur durch Individualität erfahren werden, und so kann man vielleicht sagen, dass das Universelle Individuen hervorbringen musste, um sich seiner selber bewusst zu werden.