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Wesensverbundenheit

Lama Anagarika Govinda

Man kann sich jedes Wesen in Form einer unendlichen Ebene vorstellen, die von unzähligen ebenso unendlichen Ebenen geschnitten wird, bzw. die Fähigkeit hat, alle nur denkbaren Ebenen zu schneiden. Die Beziehungen der Ebenen untereinander stellen sich in ihren Schnittlinien dar. So wie jede Ebene alle anderen durchdringt, so ist jedes Wesen im anderen potentiell enthalten. Wäre dies nicht so, so wäre gegenseitige Einwirkung, Beeinflussung oder auch Verständigung unmöglich.

Dieses Gegenwärtigsein eines jedes Wesens im andern macht die Idee der Transmigration überflüssig und macht es verständlich, wie ein „Verschwinden und Wiedererscheinen der Wesen“ (wie buddhistische Texte es nennen) ohne eine räumliche – und somit zeitliche – „Wanderung“ sich vollziehen kann. Das „Ich“ ist ja nur Bezugszentrum; jeder Punkt der unendlichen Ebene kann ein solches werden, und die körperliche Form und Gestaltwerdung ist nur der Kristallisationsvorgang , in dem das individuelle Bewusstsein sich den Umständen gemäß materialisiert, sich eine formhafte Basis schafft, sobald die nötigen Vorbedingungen gegeben sind, d. h. ein „Anstoß“ zum Zusammenschießen der Kristalle erfolgt ist.

Der Ansatzpunkt für eine solche Kristallisation ist derjenige Wesenskeim (eines Mutterschoßes), der die größte Affinität zu der in Frage stehenden Wesens- oder Bewusstseinsebene hat und ihm das adäquateste Material bietet, d. h. die größte Formungsfähigkeit besitzt und den geringsten Widerstand entgegensetzt.

So wie ein auf der Oberfläche eines Gegenstandes befindlicher Tropfen sich nach der Seite bewegt, nach der die Fläche sich neigt, und an ihrem tiefsten Punkt verharrt, so auch entscheidet die „Neigung“ der Wesensebene den neuen Mittelpunkt, wenn der alte durch Absterben der Basis aufgegeben werden musste. (Wir sprechen nicht umsonst von den „Neigungen“ der Psyche!)