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Meditieren – aber wie?

Lama Anagarika Govinda

Meditation ist etwas so Individuelles, dass jeder sich persönlich über seine inneren Tendenzenund Notwendigkeiten Klarheit verschaffen muss. Weil es kein für alle Menschen taugliches Rezept gibt, kann niemand von außen vorschreiben: „Genau auf diese Weise musst du vorgehen!“

Ein für viele bewährter Anfang ist, sich einfach körperlich zu zentrieren. Wenn wir den Leib im Sitzen durch leichte Bewegungen in alle Richtungen nach jeder Seite schwingen lassen, finden wir auf natürliche Weise den inneren Schwerpunkt, in dem der Körper ganz in sich ruht.

Die Zentriertheit des Körpers beim Sitzen auf dem Boden, das nicht von irgendwelchen Hilfsmitteln abhängt, führt eine geistige Sammlung herbei, ohne dass wir uns willentlich darum bemühen müssen. Dies hängt damit zusammen, dass körperliche Gesten und Haltungen immer auf unsere Stimmung zurückwirken.

Wie sollten wir dann weiter meditieren? Quälen wir uns mit dieser Frage, hindern wir den natürlichen Ablauf des Geschehens. Durch Überlegungen, welchen Schritt wir innerlich als nächstes zu nehmen haben, übertönen wir das eigentliche Erleben, das die Meditation uns schenkt. Man kann die Gedanken, die während des Meditierens aufsteigen, nicht einfach wegschieben. Sie treten zwingend auf und münden in einen nicht enden wollenden Denkprozess, sobald wir sie aufgreifen. Wir können den Strom der Gedanken allerdings vorbeifließen lassen und einfach nur sehen, was auftritt. Genau darauf kommt es bei der Meditation an!

Das Interessante dabei ist, dass wir uns bei diesem stillen Sitzen und Betrachten besser kennenlernen. Wir sehen, was alles uns im Tiefsten beschäftigt und sich als Objekt zum Weiterdenken aufdrängen will. Greifen wir keines der Angebote zum Überlegen auf, beruhigt sich allmählich das Aufsteigen der Gedanken. Man stellt keine Denkübungen über dieses Problem oder jenes Vorhaben an, sondern ist völlig im Unmittelbaren, dem stillsitzenden Körper. Dabei treten die selbstverständlichen aber oft vergessenen leiblichen Funktionen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, allen voran der Atem.

Dieser ist ein grundlegendes Motiv der buddhistischen Meditation. Wir begleiten ihn sehend, aber beobachten ihn nicht von außen. Sehen heißt, einfach wahrnehmen, was ist. Wir erleben, wie der Atem kommt und geht. Wir wissen, dass wir tot sind, sobald wir nicht mehr atmen. Weil der Atem das Elixier unseres Lebens ist, empfinden wir ihn mit tiefer Ehrfurcht. Fehlt diese, atmen wir nicht wahrhaft, sondern pumpen lediglich Sauerstoff in die Lungen. Ehrfurcht beim Atmen bedeutet Respekt und Demut vor unserem Dasein und Hiersitzen, was den Prozess der Meditation intensiviert.

Die Lungen überführen die Luft in den Blutstrom, der den ganzen Körper durcheilt und belebt. Darum atmen wir nicht nur mit den Lungen, sondern mit dem gesamten Leib, der mit allen Organen und Gliedern am Lebensstrom teilhat. Vergegenwärtigen wir uns dies, werden immer weitere Funktionen des Körpers erfahren. Wir gehen also vom Erleben des Körpers als atmender Ganzheit aus und schließen später die Gefühle und das Wahrnehmen, das Denken, Wollen und Bewusstwerden ein. So erfahren wir atmend unsere Geist-Körperlichkeit (nāmarūpa) als Kontinuität in ständigem Wandel. In jedem Augenblick integriert sie sich neu und tritt als ein Ganzes in Erscheinung.

Um diese Dynamik des eigenen Wesens meditativ zu erfahren, müssen wir immer vom Körper ausgehen. Unserer Zivilisation hat uns aus den Körpern emittiert, wodurch wir zwar Körper haben, aber keine Körper mehr sind. Wir spüren eine Spaltung zwischen Körper und Geist, die unausgesetzt zu Disharmonien führt.

Wir müssen wieder mit dem Körper eins werden, bevor wir sein Wesen erfassen und ihn beherrschen können. Genau das ist auf dem geistigen Weg notwendig, den Körper zu beherrschen wie ein Klavier, auf dem man erst dann jede Melodie hervorzubringen versteht, wenn man die Kunst des Spielens erlernte. Die skizzierte Meditation des Atmens ist ein taugliches Mittel, um Körper und Geist zu versöhnen, damit uns das Leben spielerisch als Kunstwerk gelingt.