Benedikt Maria Trappen
Ein jedes Geschäft hat seine Bedarfe und sucht sich oder schafft sich das ihm Nötige und Zuträgliche. Der Gemüsehändler an der Ecke fährt mit einem Kleinbus zum Markt und befördert auf angemessene Weise Obst und Gemüse in seine Auslage. Den dafür nötigen Führerschein hat er einst fachkundig erworben und fühlt sich seitdem sicher unterwegs. Baufirmen sind mit Kipplastern, Schwerlasttransporten, Kranwagen und Mischern unterwegs. Transportfirmen nutzen Aufleger zum Transport von Containern, Tankwagen für Öl, Gas oder Lebensmittel, manche kühlen, andere wärmen, eine Vielfalt an Fahrzeugen, die die Vielfalt an Bedarfen widerspiegelt, war einst in deutschen Landen unterwegs. Verkehrsministern aber wurde die Vielfalt schließlich zu unübersichtlich. Statistiken lieben Einheitlichkeit. Und so beschlossen sie im Sinne der besseren Übersichtlichkeit und Transparenz allen dasselbe Fahrzeug zur Verfügung zu stellen. Und da sie als Verkehrsminister den bewährten pädagogischen Grundsatz „Vom Einfachen zum Komplexen“ nicht kennen, auch nicht kennen müssen, orientierten sie sich an den komplexesten Anforderungen und stellten dem Gemüsehändler an der Ecke wie dem großen Logistik-Unternehmen nach mehr als zehn Jahren Entwicklungszeit einen 7,5-Tonner mit vielfältigen Anhängern und Funktionen zur Verfügung. Ohne Fahrer, bedauerlicher Weise, und vergessend, dass unser Gemüsehändler zwar einen VW Bus, nicht aber einen Lastkraftwagen steuern kann und darf und muss. Da die Zeiten gerade schlecht waren, Fahrlehrer selten, menschliche Kontakte nicht erlaubt und Theorie- wie Fahrstunden in Wirklichkeit nicht möglich waren, stellte man ersatzweise ein Handbuch zur Verfügung, bot Online-Schulungen an und Videos, Telefon- und Mail-Support und teilte mit, ab wann nur noch das eine neue Fahrzeug von allen verbindlich genutzt werden darf. Zu groß, zu viel, zu komplex, zu unübersichtlich, tönte es von allen Seiten. Man könne ja abhängen, was man nicht brauche, tönte es zurück. Keine Zeit, sich in die Bedienung des völlig überdimensionierten Fahrzeuges einzuarbeiten, hörte man klagen. Das sei nur vorübergehend, tönte es beruhigend zurück, die Entlastung würde man bald schon spüren. Aber es verstanden die Obst-und Gemüsehändler Wortschatz und Grammatik, Bedienung und Funktionsweise nicht. Einige drückten auf Anweisung Knöpfe und kamen ein Stück weit voran, ohne sagen zu können, wie und warum. Auch kam es immer wieder zu technischen Pannen und Fehlfunktionen. Und als der Tag der Umstellung kam, geriet die ganze Wirtschaft ins Stocken. Regale blieben leer, Bestellungen wurden nicht geliefert. Geschäftsleute und Kunden blickten einander ratlos an, frustriert, demotiviert, wurden depressiv, erkrankten und gaben schließlich verzweifelt und erschöpft alle Hoffnung auf.
Und die Minister? Argwöhnten Unwilligkeit und Ungehorsam, verwiesen auf Status, Dienstordnung und Gesetze, rühmten die Weisheit ihres Beschlusses und bedauerten und beklagten die Unfähigkeit des Volkes und seinen Mangel an Vernunft und Tätigkeitssinn.
Wie gut, denkt manch einer nun und atmet erleichtert auf, dass wir nicht Obst und Gemüse verkaufen, sondern Schulen führen müssen. Im Bildungsbereich jedenfalls wäre so was nie passiert.