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Labrang in neuem Glanz

Thomas Wolter

Ein bedeutender Ort der Verehrung des kommenden Buddha Maitreya, das Kloster Labrang Tashikyil (Bla-brang bKra-shis ‘khyil) in der chinesischen Provinz Gansu, wurde in den vergangenen neun Jahren einer Generalsanierung unterzogen, die jetzt unmittelbar vor dem Abschluss steht. Das buddhistische Kloster des Gelug-Ordens liegt in dem mehrheitlich von Tibetern bewohnten autonomen Bezirk Gannan und zählt zu den bedeutendsten Gelug-Institutionen außerhalb Tibets.

Das eindrucksvollste Zeugnis der an diesem Ort dem Buddha der Zukunft gewidmeten Praxis ist die mit Sockel zehn Meter hohe Maitreya-Statue, die sich in einer der über vierzig Tempelhallen der Klosterstadt über mehrere Stockwerke erstreckt. Eine andere Statue des Maitreya Buddha wird als Höhepunkt des zweiwöchigen Neujahrsfestes am sechzehnten Tag des ersten Mondmonats in einer feierlichen Prozession um das Areal geführt.

Nach den 2012 begonnen Arbeiten zur Sanierung der historischen Gebäude und zur Restaurierung des künstlerischen Bestandes erstrahlt das Kloster im ursprünglichen Glanz, wobei zusätzlich neueste Sicherheits- und Brandschutzeinrichtungen installiert wurden. In die umfassende Revitalisierung des 1982 auf die Liste der wichtigsten kulturellen Güter Chinas aufgenommenen Klosters flossen 400 Millionen Yuan, umgerechnet mehr als 50 Millionen Euro.

Das meist nur Labrang genannte Kloster wurde 1710 von Ngawang Tsöndrü (1648-1722) gegründet. Dieser war ein Schüler des fünften Dalai Lama, der weltweit für den Bau des Potala-Palastes in Lhasa bekannt ist. Ngawang Tsöndrü absolvierte Studien im Kloster Drepung und an der Tantra-Hochschule Gyüme in Lhasa. Vor der Gründung des Labrang-Klosters war er Oberhaupt der Gomang-Hochschule des Klosters Drepung, dessen Stil und Bräuche er in Labrang einbrachte, das bei seiner Gründung noch Genden-Shedrub Tashi-Kunnay-Kyilway-Ling hieß. Der Name Labrang kam erst später in Gebrauch.

Ngawang Tsöndrü verfasste Lehrbücher, die bis heute als Grundlage buddhistischer Studien in Labrang und in vielen anderen Klöstern dienen. Mit ihm begann eine Reinkarnationsreihe von Lamas, die traditionell als Oberhäupter des Labrang-Klosters fungieren. Die gegenwärtige sechste Reinkarnation, der 1948 geborene Jamyang Lobsang Jigme Thubten Chökyi Nyima spielt eine wichtige Rolle im buddhistischen Leben des heutigen China. Er ist der stellvertretende Vorsitzende der Buddhistischen Vereinigung Chinas und seit 2003 Rektor der renommierten Hochschule für Tibetologie und tibetischen Buddhismus am Xihuang-Tempel, dem Westlichen Gelben Tempel in Beijing.

In den sechs zur Klosterstadt Labrang gehörenden Hochschulen studieren traditionell viele buddhistische Mönche aus von mongolischen Völkern besiedelten Gebieten Chinas, der Mongolei und Russlands, darunter auch Burjaten und Kalmücken.

Zur Blütezeit des Klosters lebten hier bis zu 4000 Mönche, und Labrang war Musterkloster für 138 Zweiginstitutionen. Nach einer Zeit der Stagnation leitete der 10. Panchen Lama 1980 einen Neustart ein, worauf heute wieder 2000 Mönche in der Klosterstadt wohnen sollen. Neben seiner wichtigen Funktion für das religiöse Leben weit über die Region hinaus, entwickelt sich das Kloster inzwischen zu einem Magneten für den Tourismus, der viele Besucher aus allen Teilen Chinas anzieht.

In der Provinz Gansu blühte übrigens lange vor Entstehen des Traditionen des tibetischen Buddhismus die Verehrung des Buddha Maitreya. Bei den seit dem 5. Jahrhundert entstandenen Bingling-Grotten am Gelben Fluss findet sich eine 27 Meter hohe Statue des Maitreya. Wie Lama Anagarika Govinda in seinem Buch Der Weg der weißen Wolken mit Blick auf seinen Lehrer Tomo Geshe Rinpoche schreibt, sollen Maitreya-Statuen mahnen, dass „es nicht genügt, sich im Glanz der Vergangenheit zu sonnen, sondern daß es nötig ist, sich aktiv an der Gestaltung der Zukunft zu beteiligen und im eigenen Geist, wie auch in dem aller nach Vollendung strebenden Menschen, das Erscheinen des kommenden Buddha vorzubereiten.“