Benedikt Maria Trappen
Zwischen Hunsrück, Mosel und Rhein findet man zahlreiche Traumschleifen, die kilometerweite Rundwanderungen fern der lärmenden Zivilisation ermöglichen. Eine davon ist der Layensteig Strimmiger Berg. Lässt man das Dorf mit seinen schiefergedeckten Fachwerkhäusern – an einer Hauswand findet man die Symbole der vier Evangelisten, an einer anderen den Göttervogel Garuda – mit seinen Blumen- und Gemüsegärten, der Kirche und dem Dorfbrunnen hinter sich, öffnen sich gold-grüne Weizenfelder, von Mohnblumen und Kornblumen durchblüht, dahinter Windräder bis zum fernen Horizont.
Am Wegrand blüht und duftet mit Johanniskraut, Eisenkraut, Schafgarbe, Ringelblumen und echter Kamille die „Apotheke Gottes“ und lädt zur Ernte ein. Bald biegt der Weg an reichen Haselnusssträuchern vorbei in den Wald, wo schattige Kühle den Wanderer umfängt. Zwischen moosbegrünten Felsen und Baumstämmen schlängelt sich der Weg bergauf, bergab, und mit einem Mal dringt das Rauschen des Wassers ans Ohr, das von nun an lange Zeit den Wanderer begleitet.
Unmerklich überspielt der Bach den unaufhörlichen Gedankenstrom und öffnet dem Gehenden den Raum der Stille, in dem Welt wieder Welt wird, Farben leuchten, Düfte betören und Himbeeren und Walderdbeeren wieder den Geschmack der Kindheit haben. Brot und Käse, geräucherte Wurst und Wasser werden zum Festmahl.
Weiter geht es vorbei an weiß, orange, gelb, rosa, blau, lila und rot blühenden duftenden Wiesen, erfüllt vom Brummen der Hummeln, dem Summen der Bienen, dem akrobatischen Flug bunter Schmetterlinge. Von einer von Moos und Farn überwachsenen Felswand tropft Wasser, Eidechsen huschen durch das Gehölz.
Mit etwas Glück begegnet man einer Schafherde samt Schäfer und Hütehunden. Bald führen Klettersteige durch schroffe Felsen steil nach oben, wo der Blick über Wälder in die Ferne schweift.
Kehrt der Wanderer, von Müdigkeit märchenhaft durchdrungen, nach vier bis fünf Stunden zum Ausgangsort zurück – ein naher Kirchturm schlägt die volle Stunde – hat er, auch wenn er vielleicht noch nie etwas von Meditation gehört oder darüber gelesen oder selbst meditiert hat, den Geschmack der Stille, der Ruhe, des Friedens doch gekostet und wird, wenn er zurückkehrt in den Alltag, etwas davon unverlierbar mit sich tragen. Und inmitten des Lärms und der Geschäftigkeit wird er immer wieder unwillkürlich dahin zurückkehren, sich hinsetzen, vielleicht eine Kerze anzünden, dem Gedankenstrom lauschen, bis der Bach ihn wieder auslöscht und er für Augenblicke immer wieder ankommt bei sich selbst.
[Foto: Benedikt Maria Trappen]