Benedikt Maria Trappen
Auf abenteuerlichem Wege gelangte Wilfried Huchzermeyer 1969 aus der Schweiz, wo er sich bei einem Yogi aufhielt, als Mitfahrer eines entfernten Verwandten, der überraschend aus Brasilien aufgetaucht war, mit dem Auto nach Indien. Von 1970 bis 1985 lebte er immer wieder im Sri Aurobindo Ashram in Pondicherry. Studien in München, Münster, Los Angeles und Pune schloss der promovierte Indologe 1978 und 1986 mit Arbeiten über Nietzsche und Aurobindo sowie spirituelle, philosophische und kulturelle Themen des Mahabharata ab. Nach zahlreichen weiteren Büchern u.a. über Yoga, Sri Aurobindo, Die Mutter, Krishnamurti und Taoismus entschloss sich Huchzermeyer, der überzeugt ist, dass die europäische Philosophie über eine ganze Tradition natur- und geschichtsphilosophischer Modelle verfügt, die den Gedanken von Sri Aurobindo entsprechen, den beiden bereits vorliegenden Übersetzungen von Sri Aurobindos poetisch-mantrischem Hauptwerk „Savitri“ aus den Jahren 1975 und 1985 eine eigene Übersetzung hinzufügen. Dabei knüpft er an Shraddavans Erläuterung der Bedeutung zahlreicher von Aurobindo verwendeten Wörter und Wendungen und den inhaltlichen Standard der Übersetzung von Peter Steiger an, bemüht sich aber, im Stil eigene inspirierte Wege zu gehen, in der Hoffnung, damit eine jüngere Generation für das Werk Aurobindos zu begeistern. Die bereits von Elisabeth Beck getroffene Unterscheidung zwischen „mind“ (Denken, Verstand) und „spirit“ (Geist) hat Huchzermeyer übernommen. Ein Glossar erleichtert dem Leser die rasche Orientierung über Fremdwörter, Namen, Personen. Der jetzt vorgelegte erste Teil umfasst auf 348 Seiten drei Bücher der insgesamt 24.000 Verse. Der zweite Teil soll 2022/23 folgen. Dass Huchzermeyer eine konzentrierte, von Inspiration durchwehte, rhythmisch beseelte, poetisch-eindringliche Nach-Schöpfung gelungen ist, zeigt sich von der ersten Zeilen an. Kongenial erweckt er Aurobindos anthropologisch-kosmologische-integrale Visionen zu neuem Leben, in deren Spiegel sich der überwiegend materialistisch orientierte Mensch des 21. Jahrhunderts erkennen und übersteigen kann: „Und winzige Ichs nahmen die Welt als Mittel/ Zu stillen für eine Weile Zwergengelüste und kurzes Verlangen“ (S.149). „Er ist zufrieden mit seiner gewöhnlichen Durchschnittlichkeit (…) Seines Wesens Verwandtschaft mit Unendlichkeit/ Hat er sich weggeschlossen ins innerste Selbst/ Und abgewehrt des verborgenen Gottes Größe./ Sein Wesen wurde geformt für eine triviale Rolle/ In einem kleinen Drama auf einer unbedeutenden Bühne (…) Wenn , was jetzt scheint, das Ganze wäre, das da sein soll/ Wenn all dies nicht nur ein Stadium wäre, das wir durchlaufen/ Auf unserem Weg von der Materie zu ewigen Selbst/ Zum Licht, das die Welt erschuf, der Dinge Urgrund.“ (S.165f.)
Sri Aurobindo: Savitri. Eine Legende und ein Gleichnis. Erster Teil. Übersetzt von Wilfried Huchzermeyer. Karlsruhe 2021. ISBN 978-3-931172-39-8 354, S. 26 €.