Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

Ḍamaru – eine kurze Geschichte der Zeitschrift

Judita Habermann

Als die Autorin dieser kleinen Geschichte von Ḍamaru begann, sich mit der Chronik der Zeitschrift zu beschäftigen, erschien ihr diese als publizistische Odyssee: Orte und Länder, Verleger und Modus des Erscheinens wechselten, während Personen aus unterschiedlichen Weltgegenden als Mitglieder der Mannschaft anheuerten oder als Passagiere ins Schiff einstiegen. Am Horizont tauchten Themen auf wie Inseln, die man ansteuerte und erkundete, um bereichert weiter zu segeln. Da ich erst an Bord kam, als die Fahrt schon fast vier Jahrzehnte andauerte, war es mir nicht mehr gegönnt, die meisten der nachfolgend genannten Menschen kennenzulernen. Die hier skizzierte Geschichte beruht darum auf der Lektüre sämtlicher seit 1982 erschienenen Ausgaben und daran anknüpfenden Recherchen.

Volker Zotz rief die Zeitschrift 1982 ins Leben

Das Entstehen und die Entwicklung von Ḍamaru sind eng mit Aktivitäten des 1956 geborenen Philosophen und Buddhologen Volker Zotz verbunden. Die Gründung der Zeitschrift ist eine Frucht seiner Begegnung mit dem Gelehrten und Schriftsteller Lama Anagarika Govinda (1898-1985).

Lama Anagarika Govinda

Govinda, ursprünglich ein Deutscher, der Ernst Lothar Hoffmann hieß, hatte sich 1928 auf Dauer in Asien niedergelassen. Dort setzte er sich mit verschiedenen Ausprägungen des Buddhismus auseinander, mit dem Daoismus und der Philosophie des Yijing. In den 1930er Jahren wurde er Staatsbürger Indiens und Lama eines tibetischen Ordens. 1933 gründete er inspiriert durch seinen buddhistischen Lehrer Ngawang Kalsang (1866-1936) und unter Mitarbeit indischer Gelehrter wie Benimadhab Barua (1888-1948) und Benoytosh Bhattacharyya (1897-1964) in Darjeeling das Ārya Maitreya Maṇḍala. Diese Gemeinschaft widmete sich ursprünglich dem Studium des tantrischen Buddhismus Indiens und Reflektionen über die Zukunft des Buddhismus. Bücher wie Grundlagen tibetischer Mystik (1956) und Der Weg der weißen Wolken (1968) machten Govinda weltweit als herausragenden Vertreter des Buddhismus bekannt.

Volker Zotz war im Alter von 16 Jahren ein Schüler Govindas geworden. Zehn Jahre später ernannte Govinda ihn zu seinem Repräsentanten in Österreich und zum dortigen Leiter des Ārya Maitreya Maṇḍala. Zotz lebte damals in Wien, wo er an der Universität Philosophie, Geschichte und Buddhismuskunde studierte und später als Hochschullehrer am Institut für Philosophie der Universität tätig war. Nach der Ernennung durch Govinda begann er, dessen Ideen in wöchentlichen Vorträgen am Buddhistischen Zentrum Wien vorzustellen.

Die Handtrommel Ḍamaru

Um neben dem Wiener Hörerkreis verstreut im Land lebende Interessenten teilhaben zu lassen, gründete Zotz 1982 die Zeitschrift. Als Titel wählte er die Silben da-ma-ru, die im Sanskrit eine Trommel und im Japanischen „Schweigen“ bezeichnen, weil er die widersprüchlichen Bedeutungen von Geräusch und Stille als passendes Symbol für ein Prinzip der buddhistischen Philosophie sah, die Einheit der Gegensätze. Die Prajñāpāramitā-Texte des Mahāyāna bringen dies mit Lehrsätzen wie „Form ist nicht verschieden von Leerheit“ zum Ausdruck.

Damaru, japanisch für „Schweigen“

Die zunächst vierteljährlich erscheinende Zeitschrift kam im Verlag des Ārya Maitreya Maṇḍala in Österreich heraus und widmete sich am Anfang hauptsächlich buddhistischen Themen im Licht der spezifischen Interpretationen Govindas. Dieser war selbstverständlich unter den Autoren der ersten Hefte ebenso vertreten wie der prominente Berliner Pionier der buddhistischen Bewegung Lionel Stützer (1901-1991) und Volker Zotz selbst, der in den ersten vier Ausgaben von 1981 einzelne Kapitel seines späteren Buchs Maitreya. Kontemplationen über den Buddha der Zukunft (1984) vorabdrucken ließ.

Ursprünglich richtete Ḍamaru sich an einen überschaubaren Kreis der Freunde von Govindas Werk in Österreich. Die Auflage der ersten drei Hefte betrug 150 Exemplare, die im Hektografie-Verfahren hergestellt wurden. Weil die Zeitschrift offenbar im ersten Jahr bei buddhistisch Interessierten in Deutschland und in der Schweiz zum Geheimtipp wurde, erschien das vierte Heft 1982 schon in 700 Exemplaren, nun in professionellem Satz und Druck im Gauke Verlag in Hannoversch Münden.

Wiederholt wechselte im Lauf der Jahrzehnte die Art der Herstellung. Auch variierten die Intervalle des Erscheinens, weil Ḍamaru auf die Möglichkeit des Abonnements verzichtete. Statt zu fixen Druckterminen sollte dann ein Heft herauskommen, wenn es etwas zu sagen oder berichten gab, was in kürzeren oder längeren Abständen der Fall sein konnte. Der Umfang der Ausgaben wich voneinander ab. Neben solchen mit mehreren inhaltlichen Beiträgen kamen unter dem Ḍamaru-Label Rundbriefe mit nur wenigen Seiten heraus, wobei in der Regel nur dickere Ausgaben durchnummeriert wurden.

Ende der 1980er Jahre und in den frühen 1990er Jahren verzeichnet das Impressum der Hefte Thomas Waysocher und Dr. Gabriele Pauer als leitende Redakteure. In dieser Zeit setzte Ḍamaru einen inhaltlichen Akzent, der sich aus der Begegnung von Zotz mit Kōshō Ōtani (1911-2002) ergab. Ōtani, ein Cousin des japanischen Kaisers Hirohito, war von 1927 bis 1977 der Hauptpriester des Nishi Honganji, eines bedeutenden Tempels in Kyōto. Er fungierte damit als Oberhaupt der Jōdo-Shinshū-Hongwanji-ha, einer Richtung des „Reinen Land-Buddhismus“, mit der sich Zotz damals auseinandersetzte, wovon sein 1991 erschienenes Buch Der Buddha im Reinen Land zeugt.

Nachdem Zotz seit 1989 für Universitäten in Japan tätig war, erschien Ḍamaru in den 1990er Jahren zeitweilig auch in Kyōto. Dort hatte Zotz eine Arbeitsgemeinschaft für „eurasischen Humanismus“ gegründet. Über dessen Aktivitäten und durch Vermittlung Kōshō Ōtanis stießen in den späten 1980er und 1990er Jahren japanische Autoren zur Zeitschrift, darunter die Buddhologen Takamaro Shigaraki (1926-2014) und Hisao Inagaki (1929-2021), der Pädagoge Shōken Yamasaki (1907-1989) und der Historiker Jōryū Chiba (1921-2008).

Fujimon, das Emblem der Familie Ōtani, zierte das Cover der Zeitschrift in den 1990er Jahren

1994 gründeten Zotz und Kōshō Ōtani in Wien Kōmyōji, eine Lehrstätte für buddhistische Philosophie und Kultur, die in der Folge auch die Rolle eines Verlegers für Ḍamaru einnahm. Als Zeichen des Danks für die Unterstützung, die Ḍamaru durch Ōtani erfuhr, fand sich damals das Fujimon genannte Wappen der Ōtani-Familie neben dem Ḍamaru-Schriftzug auf dem Cover der Zeitschrift.

Die Reise von Ḍamaru nahm 2005 an Fahrt auf, als die Kulturanthropologin Birgit Hutter als Mitarbeiterin an Bord kam. Für ein Jahrzehnt, von 2006 bis 2016, übernahm sie von Volker Zotz die Aufgabe der Herausgeberin und führte den Subtitel Zeitschrift für interkulturelle Spiritualität ein. Auf Birgit Hutters Initiative wurde ein Leitbild für Ḍamaru diskutiert und erarbeitet, dem sie 2007 die seither gültige Formulierung gab. Birgit Zotz, wie sie nach ihrer Heirat mit Volker Zotz 2008 heißt, blieb als wichtige Beraterin und Autorin für Ḍamaru aktiv.

Birgit Zotz, Ḍamaru-Herausgeberin von 2006 bis 2016

Als man mit meiner Person 2020 eine digitale Nomadin mit unsteten Wohnsitzen auf drei Kontinenten mit der Chefredaktion betraute, kam das Thema einer Online-Ausgabe auf den Tisch. „Zeitschriften liest man heute am Bildschirm,“ schrieb ich dem Herausgeber. Volker Zotz, bekanntlich kein großer Freund technischer Errungenschaften, war vom Ansteuern dieser neuen Station auf der Ḍamaru-Odyssee alles andere als begeistert. Gerade weil die Zeitschrift immer etwas verborgen blieb, sei sie genau von denen gefunden worden, für die sie etwas bedeutete. „Muss man die Blase der Duzentilliarden Worte im Cyberspace weiter aufpumpen? Sie platzt ohnehin, sobald kein Strom aus den Steckdosen kommt.“

Judita Habermann, leitende Redakteurin seit 2020

Trotz dieser Bedenken verständigten sich die Lama und Li Gotami Govinda Stiftung, die seit 2020 gemeinsam mit Kōmyōji ein verlegerischer Träger von Ḍamaru ist, der Herausgeber und die Mitarbeiter darüber, dass die Zeitschrift ab 2021 online ist. Das Wichtigste wird selbstverständlich weiterhin in Printausgaben vorgelegt, damit man Ḍamaru auch bei Tages- und nächtlichem Kerzenlicht lesen kann, sollten die Steckdosen in Zukunft einmal leer bleiben.